Kennst du vielleicht auch Menschen, die häufiger einen Satz beginnen mit „Ja, aber ich…“?! Wenn ein Satz so anfängt, dann höre ich zugegebenermaßen nur noch oberflächlich zu & gehe am liebsten schnell wo anders hin. Wieso ich heute so genervt bin, & was mein Wunsch an uns alle ist, darum geht es in diesem Artikel.
Zuletzt war ich über mehrere Stunden in einer größeren Runde mit anderen Personen. Es wurden Geschichten & Anekdoten erzählt, sich ausgetauscht, diskutiert & debattiert. Doch irgendwann bemerkte ich eine latent wachsende innere Aggression & einen aufkommenden Flucht-Gedanken in mir. Warum, fragte ich mich & horchte genauer hin. Schnell fielen mir bestimmte Formulierungen auf, die sich wie kleine, sehr unangenehme Nadelstiche in meinen Ohren anhörten. Formulierungen wie diese:
„Ja, aber ich…“
…musste wirklich schnell bei Rot über die Ampel fahren, weil ich es echt eilig habe.
...musste zuletzt im Stau wenden, weil ich wirklich nicht die Zeit hatte zu warten, bis der Stau sich auflöst.
...brauche die Blitzer-App wirklich, denn die vielen Knöllchen wegen überhöhter Geschwindigkeit kann ich mich echt nicht mehr leisten.
...
Ich wirklich nicht stolz darauf, dass ich bei solchen Gesprächen wütend werde. Doch fängt ein Satz mit "Ja, aber ich..." an, kommt da meiner Erfahrung nach nicht mehr viel, wo es sich lohnen würde zuzuhören - im Gegenteil. Möglicherweise geht es nur mir so, vielleicht weil mir Sprache & Kommunikation so wichtig sind? Häufig erlebe ich im Alltag Situationen, in denen Menschen sich & ihre Bedürfnisse über die anderer stellen. In meinen Ohren klingen Sätze wie die oben rücksichtslos, egoistisch & ignorant Dritten gegenüber.
Mich machen solche Situationen, bei all meinem kommunikativen Know-how, tatsächlich erst einmal sprachlos. Fragst du mich hierzu „Christine, was erwidere ich denn darauf?“, dann ist mein ehrlichster Tipp: Nichts.
Dreh´ dich um & nimm zügig Abstand ein
Wieso ich in diesen Situationen lieber das Weite suche & nicht in die Diskussion mit der sprechenden Person gehe? Meiner Erfahrung nach sind Personen, die so reden, in diesem Moment weder zugänglich für Feedback noch an diesem ehrlich interessiert. Oft sind sie in einer Opferhaltung & es geht ihnen einfach nur darum ihre Sicht ihrer Welt laut vor Publikum zu teilen. Hierdurch gelangen sie zu der Überzeugung, dadurch, dass andere ihnen zuhören, stimmen sie ihnen in diesem Moment auch zu. Ein Missverständnis, dem viele erliegen:
Verstanden = Einverstanden
Doch es ist definitiv nicht so, dass alle, die etwas verstehen können, es organisch verstehen (Hören), mit dem Gehörten auch einverstanden sind. Doch das spielt in diesem Moment für die sprechende Person keine Rolle, weil sie diesen Unterschied nicht macht & ihn vielleicht auch nicht kennt.
Noch einmal:
Es ist eher untypisch für mich hier das aktive Gehen zu empfehlen, wo ich doch sonst dazu rate miteinander in den Dialog zu kommen. Aber meiner Erfahrung nach ist der Dialog in diesem Moment, mit der Haltung der beteiligten Personen unmöglich. Sie WOLLEN NICHT DISKUTIEREN, sie wollen mein Okay & mein Einverständnis mit ihrer Situation & ihren Handlungen. Bleibe ich, gebe ich ihnen allein durch meine schweigende Anwesenheit beides. Will ich das nicht, weil meine Werte ganz andere sind, dann muss ich ziemlich zügig aktiv aufstehen & wirklich gehen. Den Raum verlassen & mich dadurch von dem Gesagten distanzieren.
Dann erst...
Erst, wenn das vom Sprecher wahrgenommen wird & er auf mich zukommt um zu erfahren, warum ich gegangen bin, habe ich eine Chance für einen Dialog auf Augenhöhe. Zusätzlich verschaffe ich mir durch mein Gehen Luft & Raum für meine eigenen Gedanken. Kann reflektieren, was genau mich da getriggert hat. Das könnte ich auch reflektieren, während der andere noch redet, doch erinnere dich:
Bleiben & schweigen wird als Zustimmung verstanden.
Gehe ich, entziehe ich mich dem Sprecher physisch als Publikum & kann so mein Missfallen ausdrücken indem ich mich räumlich distanziere. Wird das wahr- & wichtig genommen, kommen wir gerne ins Gespräch. Über Werte, Sprache, innere Haltung - all das, was mir/uns als Gesellschaft wichtig ist.
Warum schreibe ich diesen Artikel?
Zuletzt las ich in einer Zeitung einen Artikel, dass tatsächlich in einem Stau auf einer Autobahn im Ruhrgebiet ein paar Talente die Rettungsgasse genutzt hatte um zu wenden & über die nahegelegene Auffahrt abzufahren. Durch ihr Verhalten brüskierten sie alle anderen, die im Stau weiter warteten, & nahmen den eintreffenden Rettungsdiensten ihren Zufahrtsweg zum Unfall, der Ursache des Staus war. Bei diesem Unfall gab es verletze Personen, zu denen die Rettungskräfte auf dem Weg waren. Gefragt, warum die Autobahn-Wender sich so verhalten hätten, gaben einige wirklich an, sie hätten keine Lust gehabt zu warten. Weiter ging es in diesem Artikel um eine zunehmende Verrohung im Straßenverkehr wie beispielsweise die zunehmende Missachtung des Rotsignals von Ampeln, individuelle Auslegung der Straßenverkehrsregeln durch Fahrradfahrer, Ignorieren von Regeln durch E-Scooter-Nutzer etc..
Zusätzlich las ich die Tage noch auf LinkedIn einen Post von einer Person, die im medizinischen Bereich unter anderem Nachtdienste leistet. Diese Person empfahl aktiv, so wie sie eine Blitzer-Warn-App zu nutzen. Ihr seien durch diese schon viele Blitzer-Strafen erspart geblieben 😳 Mein Impuls, dass es vielleicht zielführender & für alle anderen Verkehrsteilnehmer sicherer sei, dass diese Person besser kein Auto fährt nach einem Nachtdienst, wurde nicht mehr kommentiert. Ich erhielt die Info, dass so ein Nachtdienst einen körperlich wirklich schafft & so viele Knöllchen wegen überhöhter Geschwindigkeit echt ins Geld gingen.
Ich bin nach wie vor sprachlos in solchen Momenten.
Wenn du einen guten, hilfreichen Ansatz hast, wie wir uns als Gesellschaft bestimmte Werte & Verhaltensregeln erhalten, dann kommentiere gerne unter diesem Beitrag. Ich bin offen für Ideen & Konzepte.
Heute einmal grübelnde Grüße
Christine
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